Am Sonntag, den 15.02.2009, fand im Oberen Foyer des Markgrafentheaters in Erlangen im Rahmen der Vorlesungsreihe „seiten sprünge – Autoren in der Stadt“ eine Autorenlesung der chinesischen Schriftstellerin und Adelbert-von-Chamisso-Förderpreisträgerin Luo Lingyuan statt. Ermöglicht wurde die Lesung durch die Zusammenarbeit des Konfuzius-Instituts Erlangen-Nürnberg mit dem Kulturprojektbüro der Stadt Erlangen.
Luo Lingyuan wurde 1963 in der Volksrepublik China geboren, studierte Computerwissen-schaften und Journalismus, hat im Alter von 27 Jahren aus persönlichen Gründen China verlassen und lebt seitdem in Berlin. Seit 1992 ist sie als Autorin tätig, veröffentlicht überwiegend Prosa sowohl in deutscher als auch in chinesischer Sprache. Sie erhielt mehrere Stipendien, u.a. das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste in Berlin (2000) und das Stipendium des Literarischen Colloquiums Berlin (2002). Für den Erzählband "Du fliegst jetzt für meinen Sohn aus dem fünften Stock!" wurde sie 2007 mit dem Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis ausgezeichnet.
Frau Luo las aus ihrem neuesten Roman „Sterne über Shenzhen“ (Dezember 2008), der erstmalig in China spielt. Darin problematisiert sie die rasche Modernisierung jener Metropole im Süden Chinas und verknüpft dies mit einer Liebesgeschichte. Die Geschichte beschreibt das Schicksal des Jungunternehmers Dai Xingkong, der mit einem Kräuterelixier zur Steigerung des Denkvermögens gute Geschäfte macht. Sein ehrgeiziges neues Projekt, der Bau eines Wolkenkratzers, findet Beifall bei den Mächtigen. Doch der Turmbau zu Shenzhen erweist sich als schwere Prüfung für ihn. Politische Willkür, Korruption, Produktpiraten, Mord und Gewalt zerstören den Traum. Als der Erfolg abebbt, gerät Dai in eine schwere berufliche und private Krise.
Da Luos Eltern in Shenzhen leben, zeichnet sich die Beschreibung der Stadt durch hohe Akkuratesse aus. Der Roman ist sehr freizügig geschrieben, beinhaltet Brutalität und wirtschaftliche Probleme (Kopierschutz) genauso wie Seitensprünge und macht damit die Geschichte sehr lebhaft, realistisch, spannend und menschlich.
In einem anschließenden Gespräch mit der Direktorin des Konfuzius-Instituts Frau Dr. Yan Xu-Lackner erzählte sie, dass sie schon früh von Literatur fasziniert war. Als Kind las sie gerne chinesische Bücher, zu denen der Zugang allerdings zunächst nicht leicht war. Für die nächtliche Lektüre wurde sie von ihrer Mutter streng getadelt, weil sie es nicht schaffte, am nächsten Morgen zeitig aufzustehen. Nach und nach entschloss sie sich, selbst Romane zu schreiben. Auf die Frage aus dem Publikum, ob sie nach so langer Zeit in Deutschland sich überhaupt noch als Chinesin fühle und die Entwicklung in ihrem ursprünglichen Heimatland nachvollziehen könne, antwortete sie, dass sie sich nach wie vor als Chinesin sehe und es ihr leichter fiele die Denkweise von Chinesen als von Deutschen zu verstehen. Aber sie sei tatsächlich überrascht, wie schnell und tiefgreifend sich der Wandel in China vollzieht. Durch ihre regelmäßigen Besuche bei ihren Eltern in Shenzhen erlebe sie diesen dennoch auf ihre Weise mit. Sie habe ihre Wurzeln nicht gekappt und verbringe gerne Zeit in China.