23.05.2018 ganztägig - 02.06.2018 ganztägig

Delegationsreise „Duales Bildungssystem“ nach China

Vom 23. Mai bis 2. Juni 2018 fand die vierte vom Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen organisierte Schulleiterreise nach China statt. Der Fokus der Reise lag dieses Mal auf dem Dualen Bildungssystem.

Laut der Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsvereinigung sind derzeit über 600 Unternehmen der Metropolregion Nürnberg im China-Geschäft tätig. Aufgrund der wirtschaftlichen Globalisierung sind die Anforderungen an den Arbeitsmarkt besonders in der beruflichen Bildung sehr hoch. International agierende Betriebe wie Siemens, Huawei oder Metz in China und Deutschland mit geeigneten Auszubildenden zusammenzubringen und diese anschließend als hochqualifizierte Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, kann nur durch den Austausch zwischen Bildungs- und Ausbildungsstätten beider Länder gelingen.

Nachdem das Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen in Zusammenarbeit mit der Stadt Nürnberg und der IHK Nürnberg für Mittelfranken in der Vergangenheit bereits zwei Delegationen chinesischer Berufsschulleiter für eine jeweils zweiwöchige Fortbildung nach Nürnberg eingeladen hatte, wollte das Institut nun auch deutschen Experten auf dem Gebiet der Dualen Bildung ermöglichen, sich ein Bild von dem rasend schnell wachsenden Berufsbildungssystem in China zu machen, welches teilweise an das deutsche Modell angelehnt ist.

Unter der Leitung von Nürnbergs Bürgermeister Dr. Klemens Gsell und dem chinesischen Direktor des Konfuzius-Instituts Nürnberg-Erlangen, Prof. Chen Hangzhu, besuchten die Teilnehmer drei Millionenstädte: die Hauptstadt Peking, Hefei, die Heimat von drei chinesischen Eliteuniversitäten, sowie Foshan im Perlflussdelta, bekannt durch die dort ansässigen Audi-Werke. Auf dem Programm standen unter anderem Besuche bei zahlreichen Berufsschulen und Hochschulen, ein Besuch der Bildungskommission des Pekinger Chaoyang-Bezirks sowie bei Unternehmen in den drei Städten. 

Die 15-köpfige Delegation bestand neben Mitarbeitern der Stadt Nürnberg und des Konfuzius-Instituts aus Leitern von fünf Nürnberger Berufsschulen sowie dem Berufsschulzentrum Bamberg, der neuen Leiterin des Amts für Berufliche Schulen, Frau Ulrike Horneber, sowie dessen ehemaligem Leiter Herrn Ulrich Ziegentaler. Das Projekt wurde von Dr. Liu Lixin, Gesandter-Botschaftsrat für Bildung und Experte auf dem Gebiet der Berufsausbildung in China, sowie von der Pekinger Fremdsprachenuniversität unterstützt. Neben dem dualen Bildungssystem lag ein starker Fokus der Reise auf dem Thema „Industrie 4.0“ bzw. „China 2025“.

1. Station: Chaoyang-Bezirk Peking

Der Chaoyang-Bezirk ist der größte Bezirk Pekings und Sitz der ausländischen Botschaften sowie eines Großteils der ausländischen Unternehmen und Finanzinstitutionen in der chinesischen Hauptstadt. Insgesamt gibt es dort über 500 Ausbildungseinrichtungen, vom Kindergarten zur Hochschule, mit über 230.000 Schülern und Studenten. Die Chaoyang District Commission of Education of Beijing Municipality (CDCEB,北京市朝阳区教育委员会) ist das Bildungsamt des Chaoyang-Bezirks. In Peking besuchte die Delegation zwei Berufsschulen, die direkt von der CDCEB verwaltet werden. Die Beijing Qiushi Berufsschule hat z.B. eine Kooperation im Fachbereich Finanzen und Handel mit einer der größten chinesischen Banken, ICBC. Dieser Fachbereich hat eine Leuchtturmfunktion für ganz Peking und damit für China. Die Kooperation mit ICBC zeichnet sich z.B. dadurch aus, dass die Schule der Bank Räume zur Verfügung stellt, um dort eine Filiale einzurichten. Diese wird größtenteils von Berufsschülern betrieben. Dieses Prinzip, Unternehmen in die Schulen zu bringen, etabliert sich in China immer mehr.

2. Station: Hefei, Provinz Anhui

In Hefei konnte Herr Dr. Gsell gemeinsam mit Song Guoquan, Parteisekretär der Stadt Hefei und der Provinz Anhui, Frau Ling Yun, Oberbürgermeisterin der Stadt Hefei, sowie Prof. Peng Long, Präsident der Pekinger Fremdsprachenuniversität, feierlich das neue Zentrum für Deutschlandstudien der Pekinger Fremdsprachenuniversität eröffnen. Nach der Feier fand ein Forum zum Thema Berufliche Bildung statt, gefolgt von einer Besichtigung der neuen Fertigungshalle für Elektroautos von Jac Motors, sowie der chinesischen Niederlassung der Fürther Firma Kurz in Hefei und einem Besuch der Berufsschule für Handel und Tourismus Hefei. In der von der Delegation besichtigten Fertigungshalle bei Jac Motors werden zwei verschiedene Serien von Elektroautos produziert: eine Serie in Kooperation mit Shanghai Volkswagen und eine Serie in Kooperation mit der jungen Internetfirma NIO. Hinter NIO steht der chinesische Milliardär William Li, aber auch der chinesische Smartphone-Hersteller Xiaomi. Der Delegation wurde der neue Elektro-SUV ES8 vorgeführt. NIO wird als starker Konkurrent von Tesla gehandelt.

Die Firma Kurz, ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich der Heißpräge- und Beschichtungstechnologie, bot der Delegation interessante Einblicke in die Chancen und Herausforderungen eines Hidden Champions der Metropolregion in Asien. Die Wahl fiel auf Hefei, als nach einem weiteren Standort der Firma in China gesucht wurde. Denn Hefei stellte der Firma 150.000 m2 Land in einer ihrer Entwicklungszonen zur Verfügung, mit besseren Konditionen als die begehrten Regionen Beijing/Tianjin, Perlfluss- oder Yangtze-Delta bieten konnten. Zudem liegt Hefei in der Mitte dieser drei Boom-Regionen und daher sehr verkehrsgünstig. Doch eine der größten Herausforderungen ist auch in China die Suche nach Fachpersonal. Vom Facharbeiter bis zum Ingenieur bleiben Stellen teilweise bis zu einem halben Jahr unbesetzt. Mit der Entsendung von chinesischen Auszubildenden nach Deutschland hat Kurz weniger gute Erfahrungen gemacht. Hauptsächlich muss die Ausbildung in China vor Ort stattfinden.

Auch der Besuch der Universität Hefei war sehr interessant, da der Delegation dort Chinas erster dualer Studiengang, eine Kooperation zwischen der Universität Hefei und Continental, vorgestellt wurde. Eine andere Hochschule, die HTC Hefei (合肥职业技术学院), führte die Delegation durch ihren Tech-Inkubator. Ähnlich wie der Nürnberger Zollhof wird hier neue Technologie entwickelt und es werden Startups gegründet. Die Mitarbeiter sind stark global vernetzt und das Zentrum könnte in dieser Form genauso in Boston oder Berlin stehen.   

3. Station: Foshan, Provinz Guangdong

Foshan liegt im boomenden Perflussdelta und grenzt an Guangzhou. Die Stadt mit 7,66 Mio. Einwohnern ist ein Zentrum der Leichtindustrie und bekannt für die Produktion von Klimaanlagen, Kühlschränken und – wie Nürnberg auch – von Spielzeug. Als Mitglied der Internationalen Allianz der Industriestädte war bereits im April dieses Jahres eine Delegation aus Foshan in Nürnberg, unter anderem, um Gespräche mit Nürnbergs Wirtschaftsreferenten Dr. Fraas zu führen. Auch in Foshan wurde die Delegation von Vizebürgermeisterin Yu Jin, vom Leiter des städtischen Bildungsamts und vielen weiteren empfangen, wie z. B. von der Bezirksleiterin von Shunde. In diesem Stadtbezirk liegen viele der größten Firmen von Foshan, so auch Midea, die das Augsburger Unternehmen Kuka übernommen hat. Midea war eine der Stationen der Delegation, besonders auch das Midea College, in welchem die betriebsinterne Aus- und Weiterbildung stattfindet. Zudem wurden auch hier Berufsschulen besucht: die Huacai Berufsschule und die Shunde Polytechnische Berufsschule. Von chinesischer Seite wurde ein starkes Interesse an einer Zusammenarbeit mit einer oder mehreren deutschen Berufsschulen und/oder Betrieben signalisiert, um ein gemeinsames Curriculum auszuarbeiten.

Die Berufsbildungssysteme beider Länder haben sich bereits sehr angenähert, doch einige Unterschiede bleiben bestehen, unter anderem bedingt durch unterschiedliche Ressourcen, Bedarf und Bedingungen. Das chinesische System ist z.B. sequenzieller als das deutsche. Die Berufsschule wird eher vorgelagert mit 2 oder 2,5 Jahren und erst die letzte Ausbildungsphase findet im Betrieb statt, mit dem Ziel, dass aus dieser Beschäftigungsphase ein festes Beschäftigungsverhältnis entsteht. In der Berufsoberschule in China verhält es sich ähnlich, mit dem Unterschied, dass hier keine klare Trennung zwischen Abitur und Hochschulphase besteht, sondern ein integriertes Modell mit insgesamt 3 plus 2 Jahren.

Die Reise bot für beiden Seiten sehr interessante Einblicke und zahlreiche Gelegenheiten zum gedanklichen Austausch und zu möglichen Kooperationen.

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